Die Nebenberuf-Story von Michaela
Michaela erscheint pünktlich. Sie ist modisch-leger gekleidet und hat brünette schulterlange Haare. Mit ihrer fröhlichen und entspannten Art wirkt sie sofort sympathisch auf mich. Wir bestellen einen Kaffee und Michaela beginnt mit der Schilderung ihres Lebenslaufs:
"In der Phase meiner Pubertät hatte mein Vater oft sorgenvoll gefragt: 'Kind, was soll aus dir nur mal werden?' Zu diesem Zeitpunkt hatte ich auch noch keine genauen Vorstellungen von meiner beruflichen Zukunft und konnte ihm daher keine Antwort geben. Doch nach meinem Abitur hatte ich eine Perspektive für mich gefunden und sagte zu meinem Papa: 'Ich will Künstlerin werden'."
"Und wie hat Ihr Vater reagiert? Schlug er Ihnen voller Begeisterung vor, Ihnen ein Atelier einzurichten und Sie zu unterstützen, falls es mal nicht so gut läuft?", erkundige ich mich schmunzelnd. Michaela lacht. "Nein. Er war natürlich entsetzt. Die Kunst sei ein brotloses Handwerk ohne Zukunft, meinte er. Und ehe ich es mich versah, hatte er dafür gesorgt, dass ich eine Ausbildung zur Verwaltungsangestellten begann. Im Anschluss fand ich auch schnell eine Anstellung in einem Büro."
"Wie ging es dann weiter? Wenn ich richtig informiert bin, haben Sie heute eine leitende Position in einem renommierten Architekturbüro inne." Neugierig schaue ich Michaela an, die nickt und erwidert: "Ja, ich bin dort mittlerweile Projektleiterin. Das habe ich einer Portion Glück und einer Portion Eigeninitiative zu verdanken. In meinem damaligen Job als Verwaltungsangestellte wurde ich zunehmend unzufriedener. Meine Leidenschaft gilt und galt schon immer dem Malen und Zeichnen. Aber es tagaus, tagein mit Zahlen und Bürokratie zu tun haben zu müssen, zerrte zunehmend an meinen Nerven. Abends kam ich nur noch frustriert nach Hause und jammerte in einer Endlosschleife meinem Freund mein Leid vor. Meine berufliche Unzufriedenheit stellte unsere Beziehung damals auf eine harte Probe."
"Warum haben Sie Ihren Job nicht gekündigt?", will ich wissen. "Um mir einen neuen als Verwaltungsangestellte zu suchen? Ich hatte doch nichts anderes gelernt. Nein, es kam schließlich völlig anders. Mein Freund war es gewesen, der die rettende Idee hatte und mir vorschlug, mich um einen Nebenberuf im Bereich des Malens und Zeichens zu bemühen. Der Gedanke gefiel mir, woraufhin ich im Internet bei einem entsprechenden Portal ein Porträt von mir erstellte. Danach ging alles sehr schnell. Das Architekturbüro, bei dem ich jetzt arbeite, kontaktierte mich, bot mir einen Nebenjob an und war alsbald begeistert von meinen Entwürfen und meinem Engagement. Wenig später erhielt ich dort eine Festanstellung und stolperte peu à peu die Karriereleiter nach oben."
"Toll!", freue ich mich für Michaela. Diese räuspert sich verlegen und fährt schließlich strahlend fort: "Aber das i-Tüpfelchen meiner Geschichte ist, dass ich inzwischen glücklich mit meinem damaligen Freund verheiratet bin und wir stolze Eltern zweier kleiner Kinder sind. Meine daraus resultierende Erfahrung im Bereich Erziehung hatte auch beruflich einen positiven Nebeneffekt, dass ich nämlich in meinem Architekturbüro mittlerweile für alle städtischen Großaufträge verantwortlich bin, die mit dem Bau von Kindertagesstätten zu tun haben. Mein Leben hätte nicht besser laufen können."
Als Michaela und ich uns nach dem Gespräch verabschieden, resümiere ich in Gedanken: Die Idee, mit einem Nebenberuf das Fundament für eine Karriere zu legen, ist durchaus eine Chance, aus einem ungeliebten Berufsleben auszuscheren und sich neue Möglichkeiten zu eröffnen. Michaela ist das beste Beispiel dafür, dass es klappen kann.
Key words: Nebenberuf, Nebenjob
Kategorie: Story
Photo: Veer.com, carlos